Exodus in Finanz-Teams: Warum Unternehmen ein Personalmangel droht

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Janine Pretschner

Veröffentlich am 16. Dezember 2021

Wahrscheinlich haben Sie schon von der "großen Kündigungswelle" gehört, einem in letzter Zeit immer häufiger auftretenden Phänomen, bei dem zahlreiche Arbeitnehmer:innen in allen Branchen ihren Arbeitsplatz freiwillig aufgeben. Die Gründe reichen von Karriereunzufriedenheit und Burnout bis hin zu fehlenden Entwicklungsmöglichkeiten und mangelnder Work-Life-Balance - der Finanzsektor bildet hier keine Ausnahme.

Gemeinsam mit dem Marktforschungsinstitut YouGov haben wir eine Umfrage unter kleinen und mittleren Finanz-Teams in Deutschland, Großbritannien und Frankreich durchgeführt. Die Ergebnisse waren sehr aufschlussreich und bestätigten mehrere frühere Annahmen über Finanzfachleute und ihre grundlegende Rolle im Kampf um Talente, der sich in allen Branchen ausbreitet.

1. 40% der Finanzfachleute planen, ihren Arbeitsplatz zu verlassen

40 % der Befragten erwägen entweder, ihren derzeitigen Arbeitsplatz zu verlassen oder haben bereits konkrete Pläne dazu. Davon plant fast die Hälfte, innerhalb des nächsten Jahres zu gehen. Eine noch verblüffendere Erkenntnis: Satte 56 % der jüngeren Berufstätigen (unter 35 Jahren) haben vor, ihren Arbeitsplatz zu verlassen.

Die Hauptgründe dafür? Die Mitarbeiter:innen fühlen sich ausgebrannt oder sind frustriert. Unser Bericht zeigt, dass Finanz-Teams zu viel Zeit mit geringwertigen Aufgaben verbringen und sich in ihrer Arbeit oft nicht erfüllt fühlen. Kein Wunder, dass Unternehmen Schwierigkeiten haben, Talente an sich zu binden, wenn die Prioritäten zwischen Arbeitgeber:innen und Arbeitnehmer:innen so ungleich verteilt sind.

Das sollte bei Finanzvorständen und Unternehmensleiter:innen die Alarmglocken läuten lassen. Sie stehen im heutigen wettbewerbsorientierten Einstellungsumfeld bereits vor großen Herausforderungen und können es sich nicht leisten, ihre Mitarbeiter:innen in Scharen zu verlieren.

2. Zu wenige Finanzfachleute verbringen den Großteil ihrer Zeit mit sinnvoller Arbeit

Selbst wenn ihr Arbeitspensum überschaubar ist, geben viele Finanzangestellte zu, dass sie sich durch ihre Arbeit nicht erfüllt fühlen. Nur ein Drittel der Befragten gab an, dass der größte Teil ihrer Arbeit erfüllend ist, während 26 % weniger als die Hälfte ihrer Zeit mit sinnvoller Arbeit verbringen.

Bei den jüngeren Befragten gab es auch hier deutliche Unterschiede: Im Vereinigten Königreich gibt fast die Hälfte (45 %) der Arbeitnehmer:innen unter 35 Jahren an, dass sie weniger als die Hälfte ihrer Zeit mit erfüllender Arbeit verbringen. In Deutschland und Frankreich liegt diese Zahl bei 25 % - immer noch höher als der Gesamtdurchschnitt, aber niedriger als in Großbritannien.

Ein Hauptgrund für diese Stimmungslage ist die fehlende Verbindung zum Unternehmenswachstum. Die Wahrheit ist, dass es immer Aufgaben, Prozesse und Probleme geben wird, die Zeit von wertvollerer oder sinnvollerer Arbeit abziehen. Daher ist es wichtig, dass Unternehmen deutlich kommunizieren, inwiefern Mitarbeiter:innen das Unternehmenswachstum mit ihrer Arbeit beeinflussen. So können Unternehmen Mitarbeiter:innen länger halten und Top-Talente anziehen.

3. Nur 40 % haben das Gefühl, dass der größte Teil ihrer Zeit einen Mehrwert darstellt

Es ist ganz natürlich, dass Mitarbeiter:innen sich wünschen, dass ihre Arbeit wichtig ist und zum Erfolg des gesamten Unternehmens beiträgt. Millennials werden Prognosen zufolge bis 2025 75 % der Belegschaft ausmachen. Sie sind dafür bekannt, dass sie großen Wert darauf legen, in ihrer beruflichen Laufbahn etwas zu bewirken.

Dennoch haben viele Finanzfachleute nicht das Gefühl, dass ihre Arbeit zum Wachstum beiträgt. Nur 40 % der Befragten gaben an, dass sie den Großteil ihrer Zeit mit Aufgaben verbringen, die einen klaren Mehrwert für das Unternehmen darstellen. Etwa 20 % meinen, dass sie weniger als die Hälfte ihrer Zeit mit solchen Aufgaben verbringen. Mitarbeiter:innen, insbesondere die der Generationen der Millennials und der GenZ, leiten oft ein Gefühl der Identität aus ihrer Arbeit ab. Für junge Finanzfachleute kann es also verheerend sein, wenn sie sich vom Erfolg ihres Unternehmens abgekoppelt fühlen oder glauben, dass ihre Arbeit nicht zielgerichtet oder wirkungsvoll ist. Das Gefühl, nicht zum Wachstum und Erfolg eines Unternehmens beizutragen, kann somit ein ausschlaggebender Kündigungsgrund sein.

4. Finanzteams brauchen mehr Zeit für Teambuilding und berufliche Entwicklung

Digitalisierung und Prozessautomatisierung helfen Finanzteams, Zeit für manuelle Aufgaben zu sparen. Doch wenn sie mehr Zeit hätten, wie würden Finanzfachleute diese am liebsten nutzen?

Bei dieser Frage nannten die Finanzmitarbeiter:innen vor allem Teamentwicklung, Lernen und Networking sowie strategische Arbeit. Es ist also offensichtlich, dass auch Finanz-Teams ihre Fähigkeiten bei der Arbeit weiterentwickeln wollen. Deutlich wird dabei auch, dass der weit verbreitete Mangel an Automatisierung in Unternehmen viele Teams von einer beruflichen Weiterentwicklung abhält.

Die Automatisierung komplexer Geschäftsprozesse kann daher eine wirksame Doppelstrategie sein: Sie ermöglicht Mitarbeiter:innen, ihre beruflichen Ziele zu erreichen, ergo mehr zu motivieren und hilft Unternehmen somit schneller zu wachsen.

5. Junge Finanzfachkräfte wünschen sich vor allem mehr strategischen Input

Die Studie zeigt deutlich, dass ein Großteil der unzufriedenen Mitarbeiter:innen insbesondere jüngere Fachkräfte sind. Wenn es um berufliche Entwicklungsmöglichkeiten geht, wünschen sich vor allem diese mehr Möglichkeiten, strategischer zu arbeiten.

Das bedeutet: Arbeitnehmer:innen sind nicht mehr mit der Dienstleister-Rolle innerhalb ihres Unternehmens zufrieden. Sie wollen Einfluss auf die Entscheidungsfindung nehmen und einen Mehrwert für ihr Unternehmen schaffen.

Vor allem junge Fachkräfte fühlen sich immer weiter von den Entscheidungsprozessen entfernt. Dies könnte auf die Tatsache zurückzuführen sein, dass junge Arbeitnehmer:innen bisher weniger Berufserfahrung haben. Dennoch wünschen sie sich, in einer strategischen Funktion tätig zu sein.

Da der Rekrutierung-Wettbewerb immer härter wird, kann die Gewinnung und Bindung von Spitzenkräften zu einer der größten Herausforderungen für Unternehmen werden. Um zu vermeiden, dass junge Finanzfachleute frühzeitig gehen, sollten Unternehmen diese Teams also stärker in die breitere Unternehmensstrategie einbinden.